Begegnung mit dem türkischen Religionsminister in Ankara

Abschluss der Türkeireise der Arbeitgruppe „Islam“ der Schweizer Bischofskonferenz

Die Arbeitsgruppe „Islam“ der Schweizer Bischofskonferenz ist am Samstag von einer Reise in die Türkei zurückgekehrt. Die siebenköpfige Delegation unter der Leitung von Bischof Alain de Raemy, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, traf auf ihrer einwöchigen Reise mit Repräsentanten der Muslime, Christen und Juden in Ankara und Istanbul zusammen, um sich ein Bild von den laufenden Veränderungen in der türkischen Gesellschaft und den damit verbundenen Folgen für die Christen zu machen.

Auf staatlicher bzw. muslimischer Seite sprach die Arbeitsgruppe „Islam“ namentlich mit dem Leiter des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), Professor Mehmet Görmez und dem Grossmufti von Istanbul, Professor Rahmi Yaran. Diyanet unterstehen alle sunnitischen Moscheen der Türken. Religionsminister Görmez betonte die Wichtigkeit des gegenseitigen Kennenlernens der Religionen, um Missverständnissen und Vorurteilen den Boden zu entziehen. Er befürwortete eine von Juden, Christen und Muslimen auszuarbeitende Charta, welche Kriterien für das friedliche Miteinander dieser Gemeinschaften sicherstellt. Zu erwähnen ist auch der Besuch an der Theologischen Fakultät der Istanbul Universität.

Auf die festzustellende stärkere Sichtbarkeit des Islams in der türkischen Gesellschaft angesprochen, versicherten die muslimischen Gesprächspartner der Arbeitsgruppe, dass die säkulare Rechtsordnung auch nach der beabsichtigten Verfassungsüberarbeitung erhalten bleibe. In einer Begegnung mit einem christlichen Abgeordneten des türkischen Parlaments, Erol Dora, orientierte sich die Arbeitsgruppe „Islam“ über die Situation namentlich im Südosten der Türkei, wo zahlreiche syrische Flüchtlinge untergekommen sind, darunter auch etliche Christen. Er unterstrich die grosse Mitverantwortung Europas und der USA für die derzeitige Lage in Syrien. Der Abgeordnete erinnerte daran, dass er 2011 als erster Christ seit 1960 ins Abgeordnetenhaus gewählt worden war. Die Zahl der christlichen Abgeordneten ist bei den Wahlen von 2015 inzwischen auf vier gestiegen (3 Armenier, 1 Assyrer).

Es ging der Arbeitsgruppe zudem darum, die christlichen Minderheiten in dieser Region moralisch zu unterstützen. Unter den zahlreichen religiösen Begegnungen sind jene mit dem ökumenischen Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäos, und Metropolit Elpidophoros Lambrinadis, Erzbischof von Bursa und Rektor der immer noch geschlossenen theologischen Hochschule von Chalki, hervorzuheben. Beide zeichneten ein eher positives Bild von den Fortschritten der Religionsfreiheit in den vergangenen Jahren. Eine Beurteilung der Lage, die vom Präsidenten der katholischen Bischofskonferenz der Türkei, Erzbischof Levon Zekiyan, geteilt wird, mit dem die Arbeitsgruppe ebenfalls ein ausführliches Gespräch hatte.

Die Arbeitsgruppe „Islam“ stellte bei ihren Begegnungen fest, dass die Christen als kleine Minderheit in der Türkei zu einer offenen und fruchtbaren ökumenischen Haltung gefunden haben. So haben die unterschiedlichen christlichen Denominationen der Türkei gemeinsam ein Buch herausgegeben, das unter dem Titel „Common Teaching of Christianity“ die gemeinsamen Glaubensgrundlagen aller Christen darlegt. Eine englischsprachige Ausgabe dieses auf Türkisch verbreiteten Buches ist in Vorbereitung.

Was die katholische Kirche betrifft, so vereinigt deren Bischofskonferenz in der Türkei alle katholischen Kirchen, d.h. neben der „lateinischen“ Kirche auch jene der orientalischen und altorientalischen Riten. Während bislang die Christen in der Türkei traditionell nach ethnischen Kriterien organisiert waren, ist die katholische Kirche seit einigen Jahren daran, zu einer türkischen Volkskirche zu werden. Mehr und mehr Gläubige sind türkischsprachig. Immer häufiger werden die Gottesdienste in ihrer Sprache gefeiert.

Istanbul, 14. Mai 2016

Erwin Tanner-Tiziani

Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz
Sekretär der Arbeitsgruppe „Islam“