Frieden und Entwicklung benötigt interkulturellen und interreligiösen Dialog

Expertengruppe der Schweizer Bischofskonferenz studiert das „Modell Benin“

In dem westafrikanischen Land Benin arbeiten die gesellschaftlichen, religiösen und politischen Kräfte vereint daraufhin, den Frieden und die Entwicklung in Benin zu erhalten und für die Zukunft zu bewahren. Frieden und Entwicklung sind nur möglich, wenn der interreligiöse und interkulturelle Dialog im Zusammenleben der Menschen der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Stadt und Land sichergestellt ist. Dies ist die gemeinsame Aussage der zahlreichen Gesprächspartner, die einer Expertengruppe der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) auf ihrem einwöchigen Besuch in Benin begegnet ist. Die siebenköpfige Delegation folgte einer Einladung der Genfer „Fondation Espace Afrique“, die der Beniner Unternehmer Samuel Dossou-Aworet zur Förderung der Entwicklung Afrikas und seiner Werte gründete.

Die Stiftung Espace Afrique und die Schweizer Delegation unter Leitung von Bischof Alain de Raemy führten im Rahmen des Besuchs ein zweitägiges Symposium in Glo-Djigbé bei Cotonou durch. Ein ausführliches Besuchsprogramm ermöglichte vielfältige Begegnungen mit lokalen und regionalen religiösen, traditionellen und staatlichen Würdenträgern. Die Reisestationen in Cotonou, Ouidah, Porto-Novo, Abomey, Parakou, Dassa-Zoumé und Natitingou gaben Einblick in das tägliche Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften vor Ort. Die Delegation, deren Kern die Kommission für den Dialog mit den Muslimen bildete, hielt sich vom 3. bis 10. Februar 2017 in Benin auf.

Das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften

Benin ist Nachbar von vier Ländern: im Osten Nigeria, im Westen Togo sowie im Norden Burkina Faso und Niger. Der in mehreren Nachbarländern ausgeübte Terror der religiösen Integristen von Al Kaida und Boko Haram beunruhigen die Bevölkerung Benins, die bisher indes von Angriffen dieser Gruppen verschont geblieben ist. Hauptgrund des anhaltenden Friedens ist das seit dem 19. Jahrhundert bestehende enge Zusammenleben der Angehörigen der christlichen, islamischen und endogenen Religionen im ganzen Land. Der Dialog zwischen ihnen ist von Offenheit und Unmittelbarkeit geprägt, wie er andernorts so nicht besteht. Es gibt zahlreiche Familien mit Angehörigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften und Konversionen von einer Religion zur anderen. Armut, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit können die Menschen jedoch empfänglich für extremistische Haltungen machen.

Die Expertengruppe der SBK stellte am Symposion in Glo-Djigbé verschiedene Aspekte der Schweizer Situation im Zusammenleben der Religionsgemeinschaften in Staat und Gesellschaft vor. Alain de Raemy, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, sprach zum Thema „Von einem Tag zum anderen zusammen leben? Das Funktionieren des Zusammenlebens kann nicht auferlegt werden, es braucht Zeit.“ Erwin Tanner-Tiziani, Generalsekretär der SBK, sprach über den rechtlichen und politischen Rahmen, der das Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften ordnet und fruchtbar macht. Der Soziologe Jean Baechler, emeritierter Professor an der Sorbonne und Mitglied der „Académie des sciences morales et politiques“, hielt seinen Vortrag zum Thema „Zusammenleben, der Standpunkt eines Soziologen“. Der emeritierte Professor für Religionspädagogik Stephan Leimgruber, Priester des Bistums Basel, widmete seinen Vortrag dem Thema „Das Christentum angesichts des Islam in der Katechese“.

Beninische Universitätsprofessoren analysierten ihrerseits in Vorträgen die Situation im Land. Sie wurden ergänzt durch den Vortrag des Sekretärs des Päpstlichen Rates für die Kultur, Bischof Barthélémy Adoukounou, der das Symposium mit seinem Vortrag eröffnete. Das Thema lautete: „Der interreligiöse Dialog, eine Herausforderung für eine Welt in der Krise“.

Grosses Interesse am Vorbild der Schweiz

Das Zusammenleben der Religionsgemeinschaften in der Schweiz interessiert in Benin besonders, weil der Frieden und die Prosperität der Eidgenossenschaft als Vorbild gilt. Unterstrichen wird das positive Bild von der Schweiz durch das Grand Séminair Saint-Gall in Ouidah, dessen Bau Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre durch Spenden der Gläubigen des Bistums St. Gallen ermöglicht wurde. Die Bildungsstätte für den einheimischen Klerus hat bis heute einen ausgezeichneten Ruf.

Rund 600 Personen nahmen an dem Symposium in Glo-Djigbé teil, darunter Spitzenvertreter der Regierung Benins ‑ wie Justizminister Joseph Djogbènou ‑ und der Religionsgemeinschaften, namentlich der katholischen Kirche, der protestantischen und evangelischen Kirchen, des Vodoo-Kults, des sunnitischen und schiitischen Islams, der Kirche des Himmlischen Christentums (Église Christianisme Céleste). Präsidentin des Organisationskomitees für das Symposium und den Besuch der Schweizer Delegation war die beninische Parlamentsabgeordnete Claudine Afiavi Prudencio.

Beziehungen zur Schweiz

Das internationale Treffen mit der Schweizer Expertengruppe reiht sich ein in verschiedene Bemühungen der führenden Kreise Benins, über den interreligiösen und interkulturellen Dialog den Frieden und die Entwicklung des Landes zu bewahren und zu fördern. Grossen Einfluss in dieser Hinsicht hat der 87-jährige ehemalige Mediator und Minister der Republik Benin, Albert Tévoédjré, der ebenfalls an dem Treffen zugegen war. Dieser Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Freiburg (Schweiz) und ehemalige Stipendiat des Justinuswerks der Schweizer Bischöfe, der zudem Student am Grand Séminaire Saint-Gall in Ouidah und am Institut de Hautes Etudes Internationales in Genf war, hat sich eine enge Verbindung mit der Schweiz bewahrt.

Auch der Unternehmer Samuel Dossou-Aworet steht in enger Beziehung zur Schweiz, wo er seit vielen Jahren seinen Hauptwohnsitz hat. Wie er an dem Treffen mehrfach unterstrich, wurde ihm während des Besuchs von Papst Benedikt XVI. in Benin von November 2011 klar, wie wichtig der interreligiöse Dialog für das Land ist. Die Einladung an die Schweizer Expertengruppe und die Durchführung der internationalen Begegnung in Benin ist daher eine mittelbare Folge dieser päpstlichen Reise.

Freiburg i.Ü., 13. Februar 2017

Walter Müller
Informationsbeauftragter der
Schweizer Bischofskonferenz